TEAM SEESEGELN TFH BERLIN
Die Meldung von Törn 2 kam zwei Tage vor Abfahrt nach Cherbourg: Aufgrund eines unverschuldeten schweren Maschinenschadens waren sie in Südwest-England hängengeblieben. Eine Reparatur war möglich, aber der Crewwechsel mußte dorthin verlegt werden. Das bedeutete eine zusätzliche Fährfahrt und weitere 500 km Fahrt mit den Mietwagen (zwei Busse). Unterwegs wurde noch der Haus- und Hofmechaniker des niederländischen Vercharterers nachts um halb eins auf einem Rastplatz aufgegabelt, und am nächsten Tag waren wir nach 22 Stunden Fahrt am Samstagnachmittag in Falmouth.
Glücklicherweise war das Schiff (eine Bavaria 50, eine Slup aus GFK, ca. 15,50 m lang, 4,50 m breit und 13 t schwer) einen Tag später repariert, dank des 24 h-Services von Volvo-Penta. So konnten wir am Sonntagnachmittag noch auslaufen und unseren ersten Schlag segeln. Bei leichtem West-Wind ging es raumschots nach Fowey, einem kleinen Städtchen in einem sogenannten "Estuary", einer für Süd-England typischen Formation: Ein Fluß hat sich mit seinen Nebenflüssen tief in die Küste eingeschnitten und schafft so einen perfekt geschützten Hafen mit verzweigten Nebenarmen. Hier haben wir gleich unsere erste Nachtansteuerung mit Tonnen und Sektorenfeuern. Spät am Abend werfen wir dort Anker und sitzen bei Sturmlaterne und geistigen Getränken noch lange an Deck.
Nach einem ergiebigen Baden mitten im Hafen (und warum auch nicht, schließlich hat das Wasser 18 °C und ist durch den ständigen Gezeitenaustausch sehr sauber) und Frühstück segeln wir am Montag bei sehr moderatem Südwest die schöne Küste entlang, die am Wasser recht schnell auf 50 - 70 m ansteigt und einen guten Ausblick auf Weiden und Felder bietet, dazwischen immer wieder Häfen und einzelne Höfe. So moderat ist das Wetter, daß wir ein Fenderreiten für Unerschrockene veranstalten können. Zwei bis drei Knoten Fahrt ist allerdings die Grenze für das Vergnügen.
Pünktlich zum Hochwasser erreichen wir Salcombe, ein ebenfalls in einem Einschnitt gelegener Ort, vor dessen Einfahrt eine breite Sandbank das Ansteuern bei Niedrigwasser schwierig macht. Die Harbour Patrol geleitet uns mit einem Motorboot zu einer Festmachetonne (Mooring), von denen Hunderte ausgelegt sind. Süd-England als Seglerparadies ist gut besucht. Dafür gibt es den Service eines Wassertaxis (Anforderung über Funk auf Kanal 12) zum Pub, den wir nach dem Abendessen gerne in Anspruch nehmen.
Am nächsten Tag verholen wir das Boot an eine jetzt freie Mooring vor der Stadt und paddeln in Raten im Beiboot an Land. Dorfbummel ist angesagt, gucken, einkaufen, Postkarten ... Erst am Dienstagnachmittag verlassen wir diesen schönen Ort und setzen hinter der Sandbank Segel.
Der Wind hat auf Ost gedreht, und wir wollen in südöstlicher Richtung zu den Kanalinseln vor der französischen Küste. Voll und bei segeln wir in die Nacht hinein, quer durch den stark befahrenen Englischen Kanal. Allerdings verteilt sich die Großschiffahrt ganz gut. Alle drei Stunden wechselt die Wache, auch gekocht wird auf See. Die acht Teilnehmer wurden auf drei Wachen verteilt, zusätzlich ist immer einer der beiden Skipper an Deck. Erst spät können wir eine der Tonnen im Kanal und die Leuchttürme peilen. Die Koppelei beschert uns eine gewaltige Besteckversetzung ... Gar nicht so einfach.
Unser ursprünglicher Plan, von Norden durch den Big Russel Sound den Hafen St. Peter Port anzusteuern, wird durch unsere Verspätung vereitelt: Gezeitenstrom von bis zu fünf Knoten würde uns viele Stunden Wartezeit auf See bescheren. Was in der einen Richtung bremst, beschleunigt in der anderen: um 0440 gehen wir auf Gegenkurs und steuern mit dem Strom südlich um Guernsey herum. Als Belohnung winkt bei mittlerweile Nordost 5 ein strahlender Sonnenaufgang. Morgens um acht machen wir in der Victoria Marina in St. Peter Port fest.
Springzeit, 9 m (!) Tidenhub. Zum Glück gibt es die Schwimmstege, ansonsten wäre man mit den Festmacheleinen schwer zugange. Wie im Fahrstuhl geht es hoch und runter, meistens sieht man die Granitmauer des Hafenbeckens. Wie sagt doch unser Kassenwart so weise: "Wenn's nicht steigt, dann fällt es!" Der Hafen hat eine Barre, die verhindert, daß er trockenfällt. Der Preis dafür ist ein Zeitfenster, in dem man ihn nicht verlassen kann. Aber das haben wir auch vorerst nicht vor: Hafentag mit Schlafen, Duschen und Bummeln. Wer nachts wacht, muß tagsüber ruhen, das ist der Preis für Nachtfahrten. An diesen Drei-Stunden-Rhythmus muß man sich erst gewöhnen.
Guernsey und seine Nachbarinseln gelten als Steuerparadies, und das viele Geld auf der Insel beschert dem Ort - auch dank der Nähe zu Frankreich - gehobenes Flair. Allein oder in Gruppen strolchen wir am Mittwoch durch St. Peter Port.
Unsere Berechnungen haben ergeben: Wenn wir heute das berüchtigte Cap de la Hague runden wollen, vor dem bei Springtide fünf bis acht kn Strom setzen, müssen wir den Hafen verlassen, sobald die Barre es zuläßt, um bei mitlaufendem Strom vor dem Kap zu sein. Das bedeutet ablegen um 0620. In Gezeitenrevieren diktieren die Gezeitentafeln den Tagesrhythmus. Frühstück verschieben wir auf später, ein Heißgetränk muß reichen. Dafür sehen wir in der Ausfahrt ein in Europa selten gewordenes Wechselfeuer.
Daß wir richtig gerechnet haben, zeigen die 15 weiteren Boote, die mit uns den Hafen verlassen und auch auf Nordost-Kurs gehen. In langer Kette segeln wir durch den Big Russel Sound in Richtung Kap. Wir sind dankbar für das gute Timing und das ruhige Wetter, denn in rauher See sind Gezeitenströme eine gefährliche Sache. Auch so ist es schon sehr beeindruckend: Wirbel, Stromschnellen, aus den Tiefen plötzlich aufsteigende Wassermassen lassen den Kurs etwas eiern. 7 kn sagt die Logge, 12 kn das GPS. Mit dem Strom geht's einfach besser ... Vier Stunden nach dem Ablegen haben wir bereits fast 40 sm hinter uns!
Leider macht das Schiff "etwas" Wasser. Der Motorschaden ist der Stopfbuchse schlecht bekommen, und obwohl das meiste einkommende Wasser von einer kleinen Lenzpumpe direkt wieder hinausbefördert wird, läuft doch ein Teil in die Hauptbilge. Das umherschwappende Wasser ist lästig, weil es durch die Ritzen auch an die Vorräte kriecht. Ab und zu drehen wir daher bei, damit es die große Bilgenpumpe einfacher hat, denn bei der flachen Bilge und der dadurch geringen Wasserhöhe will sie nicht so recht in Fahrt kommen.
An diesem Donnerstagnachmittag findet unser erstes Manövertraining statt. Die ersten Tage dienten der Eingewöhnung, jetzt wird gezielter geschult: Wende, Halse, Beidrehen. Auf einer Jolle holt man die Fock mal eben mit einem kräftigen Zug dicht, auf einer großen Yacht muß man seine Wende so gestalten, daß an den Winschen nur wenig echte Arbeit anfällt. Und eine Patenthalse ist schon auf einer Jolle gefährlich, auf unserem Schiff darf sie einfach nicht passieren.
Nachts dreht der Wind nach und nach von Südost wieder auf West, während wir den Kanal knapp westlich des Verkehrstrennungsgebietes queren und uns wieder auf die englische Seite schlagen. Um 0240 passieren wir den Nullmeridian: Lauter Nullen auf dem GPS und ein Sherry an Deck. Unspektakulär und angenehm verläuft die Fahrt entlang der englischen Südostküste, bei gutem achterlichen Wind. Wachwechsel, Frühstück, Lesen, Schlafen, Plaudern, Lunch. Wir sind dankbar für das gute Wetter, denn Cuxhaven ist noch weit, und schnelles Vorankommen angesagt. Nach und nach runden wir die Headlands der Küste, passieren Dovers Kreidefelsen und bergen um 1600 die Segel vor Ramsgate. Ein Gewitter mit schweren Böen macht uns beim Anlegen im Yachthafen etwas zu schaffen, aber schließlich liegen wir sicher am Schlengel. 200 sm in einem Rutsch liegen hinter uns. Noch etwa 500 sm vor uns ... Aber zunächst heißt es wieder duschen, kochen, klönen, schlafen.
Der Samstag beginnt mit Besorgungen, unter anderem benötigen wir noch Seekarten, da wir nicht wie Törn 1 auf der niederländisch-belgischen Seite des Kanals segeln. Anschließend nutzen wir die günstigen Bedingungen des Hafens und üben An- und Ablegemanöver unter Motor. Jeder eins mit achterlichem und mit vorlichem Wind. Damit man mal sieht, was das ausmacht. Anschließend laufen wir gegen 1500 aus. Vor der Hafeneinfahrt setzen mehrere Knoten Strom, und nur knapp weichen wir der einen Tonne aus. Gezeiten, immer wieder sorgen sie für Abenteuer.
Leider ist uns das Wetter nicht hold, der Wind hat in der Nacht wieder gedreht und weht uns jetzt aus nordöstlichen Richtungen entgegen. Zum Abend hin bezieht sich der Himmel zusehends, und der Wind frischt auf. Wir reffen nach und nach immer weiter ein und arbeiten uns abwechselnd nord- und ostwärts. Zum Abendessen wird unter heroischem Einsatz unter Deck Bohnensuppe gekocht, außerdem gibt es ein Quarkdessert. Von beidem wird noch die Rede sein.
Angesagt war Nord 6, leider herrscht Nordost 7. Das Schiff stampft schwer durch die Wellen, die ungewohnte Bewegung beeinträchtigt den Schlaf der Freiwache, und das Quarkdessert landet an der Wand. Schließlich opfern die ersten Neptun ihre Bohnensuppe, und später fliegen die Reste des Quarkdesserts auch noch quer durch den Salon. Alles nicht so erfreulich. Die Positionsbestimmung wird auf regelmäßiges Ablesen des GPS reduziert, zu Größerem hat keiner mehr den Elan. Die Bewohner der Vorpiek mußten umziehen nach mittschiffs, da sie regelmäßig über ihrer Matratze schwebten, wenn das Schiff mal wieder mit dem Bug in ein Wellental klatschte. So ziehen sich die Nacht und der Morgen dahin, Zwieback und Pfefferminztee stehen hoch im Kurs, auch der Skipper ist ziemlich matt. Jedoch berichten diejenigen, die Mittel gegen Seekrankheit genommen haben, eindeutig von positiven Erfahrungen, da die Seekrankheit zumindest gedämpft wird.
Unser ursprüngliches Ziel Den Helder in Holland haben wir aufgegeben und steuern halbwegs direkt auf die holländische Küste zu. Wenn allerdings die Küste 60 sm entfernt ist, bedeutet das immer noch acht bis zehn Stunden Fahrt. Das Wetter wird wieder moderater, aber die Wellen bleiben noch eine Weile. Mal folgen wir den Verkehrstrennungsgebieten, mal queren wir, ein wenig regnet es, und endlich, endlich erreichen wir am Sonntagabend Scheveningen. Für heute haben wir ehrlich genug.
Der Montag beginnt sehr gemütlich, wir haben uns den langsamen Beginn gestern verdient. Bummeln in Scheveningen, Tanz und Gesang in der Messe. Wieder ein paar Besorgungen, unter anderem eine mobile Lenzpumpe, damit die Bodenbretter der Messe in Zukunft trocken bleiben. Der Vercharterer hat uns freie Hand gegeben zu kaufen, was wir brauchen.
Genau wie in Ramsgate brechen wir am späten Nachmittag auf. Bei moderatem Nordwest können wir der Küstenlinie nicht ganz folgen, sondern müssen den einen oder anderen Schlag ins freie Wasser machen. Die guten Bedingungen werden genutzt, um im Abendlicht Manöver zu üben. Wieder und wieder geht unser Fenderopfer über Bord und wird wieder aufgefischt. Die Crew hält sich wacker, die Skipper sind zufrieden. Wir segeln mit einem Bauernfrühstück im Bauch in die Nacht hinein.
Am Dienstagvormittag passieren wir Den Helder und laufen in das Gebiet der Wattfahrwasser ein. Der Wind säuselt nur noch von achtern, die Sonne scheint, an Bord ist nach der ruhigen Nacht alles guter Dinge. Tonne um Tonne wird abgehakt, wir haben wieder einen genauen Tidenfahrplan, denn wir müssen mit unserem Schiff, das eigentlich für das Wattenmeer eine Nummer zu groß ist, bei Hochwasser einen Wattrücken passieren. Die ruhige See animiert zu Aktivitäten: Auf in den Mast! Nach und nach werden einige Leute im improvisierten Bootsmannsstuhl am Spinnakerfall nach oben gewinscht, gesichert mit der Dirk. Alle sind begeistert, wieviel schon ein paar Meter Höhe optisch ausmachen. Nur der Coskipper ist wenig erbaut, denn der Lärm stört seine Tagesruhe nach durchwachter Nacht. Brummiger Coskipper, betretene Gesichter.
Gern wären wir am Dienstagabend in Terschelling eingelaufen, aber uns drückt die Zeit. Hier zahlen wir jetzt den Preis für die zusätzlichen Seemeilen durch den Motorschaden, denn es sind noch 150 sm bis Cuxhaven, und wir haben nur noch zwei Tage, denn am Freitag ist bereits Prüfungstermin. Der Wind weht mit Stärke 4 aus Südwest und soll auch heute nacht so bleiben. Wer weiß, wann das Wetter wieder widrig wird?
Schweren Herzens entscheiden wir vernünftig und segeln durch das Seegatt von Terschelling wieder in die freie Nordsee. Das Großsegel wird geborgen, und nur unter gereffter Genua kreuzen wir vor dem Wind bei Südwest 5 schnell und ruhig die Küste entlang. Kardinaltonnen, die alle paar Seemeilen die 15 m-Linie für die Großschiffahrt markieren, leiten uns durch die Dunkelheit. Heute nacht kann wieder jeder ruhig schlafen. Mittlerweile sind es ja alle gewöhnt ... Diese Nacht setzen wir mit 8,7 kn FdW unsere Törn-Rekordmarke.
Viele Häfen stehen nicht zur Auswahl, denn mit unserem Tiefgang passen wir nun mal nicht überall hinein. In der Morgendämmerung stehen wir bei Süd 6 vor dem Seegatt von Norderney und beginnen die Ansteuerung. Aufkreuzen bei auslaufendem Strom, dümmer geht's nimmer. Aber mittlerweile klappen die Wenden optimal, und der Sportsgeist triumphiert. Tonne für Tonne arbeiten wir uns durch die engste Stelle des Fahrwassers, schaffen 20, 30 m mit jedem Schlag. Das Wetter ist grau, nur ein paar Jogger sind am Strand zu sehen, ein paar Krabbenfischer sind schon vor uns eingelaufen. Schließlich haben wir es geschafft und können am Wind in Richtung Yachthafen segeln. Unmittelbar nach dem Festmachen in der Box beginnt es zu regnen, aber eben erst danach! Im Segelanzug und mit Gummistiefeln geht es zum Bäcker. Deutschland hat uns wieder. Und mit 293 sm in 41 Stunden haben wir noch eine Törn-Rekordmarke gesetzt.
Grau in grau präsentiert sich unser Hafentag. Mittags macht sich der ganze Haufen auf in die Stadt Norderney. Bummeln zwischen Familien mit kleinen Kindern, Jugendgruppen und Rentnern. Einkaufen für das große Fischgericht, heute soll es endlich werden. Und es wird auch, am Abend können wir mal wieder lange beisammen sitzen, ohne daß einer am Ruder stehen muß. Zwischendurch zieht die lang erwartete Kaltfront durch, mit allen klassischen Begleiterscheinungen wie heftigen Böen, Abkühlung, rechtdrehendem Wind, Druckanstieg. Und einem Regenbogen, wie man ihn selten sieht. Wie aus dem Lehrbuch. Unsere Boxnachbarn haben dafür jedoch kein Auge, sie zeigen uns, was Nachlässigkeit beim Festmachen für Folgen haben kann (Motorbootfahrer ...). Zum Glück geht nichts kaputt.
Unerbittlich sind die Gezeiten: Ablegen um 0730, damit wir den auslaufenden Strom wieder nutzen können. Statt Süd 6 wie gestern haben wir heute Nordnordwest 6, und Strom steht gegen Wind im Seegatt von Norderney. Die Ausfahrt unter Motor erinnert mehr an Wildwasserkayak als an Segeln, so sehr wird das auslaufende Wasser aufgesteilt. Über den Flachs des Seegatts steht deutliche Brandung. Erleichtert fallen wir an Tonne D 6 ab auf Nordostkurs, binden das zweite Reff ein und eilen Richtung Cuxhaven. Am Nachmittag flaut der heftige Wind ab, und bei Westnordwest 4 können wir ein letztes Manövertraining machen, Generalprobe für die Prüfung. Und wie sich das für eine Generalprobe gehört, geht es ziemlich oft schief. Wie soll das nur morgen werden? Mit moderatem Wind segeln in wir das Elbefahrwasser ein und Richtung Kugelbake. Schon dunkelt es, und um 2130 machen wir fest im Gasthafen der Segelvereinigung Cuxhaven.
Konfusion am Vormittag: Als Prüfungszeit war 1200 vereinbart, aber um 0930 ergibt ein Telefonat mit dem Prüfer, daß das um diese Zeit gar nicht möglich sei, da dann auf der Medem-Reede zu starker Strom setze. Außerdem ist die Sicht miserabelst. Schon will der Prüfer auf Samstag verschieben, aber schonend verklaren wir ihm unsere Situation mit der Abreise morgen und drei weiteren Prüflingen aus Berlin, die wir zu 1200 erwarten. Also hopp, Auslaufen um 1000 für die ersten sechs Prüflinge. Auf der anderen Seite des Fahrwassers geht es los, die Sicht hat sich glücklicherweise gebessert. Pflichtmanöver sind Boje-über-Bord-Manöver unter Maschine und unter Segeln, und mit ein paar Bemerkungen verzeiht der Prüfer den einen oder anderen Patzer. So stehen wir um 1200 schon wieder am Steg und gabeln die drei "Berliner" auf, mit denen es dann erneut auf die Medem-Reede geht. In der Tat setzt hier jetzt reichlich Strom, und nach jedem Manöver müssen wir wieder Raum gewinnen. Aber da nur noch drei Prüflinge dran sind, sind wir um 1330 wieder im Hafen, während der Strom jetzt draußen machen kann, was er will.
Weiter geht es mit Fragen unter Deck, Navigation, Sicherheit an Bord, Bootstechnik. Aber ziemlich souverän wird auch hier beantwortet, und um 1530 ist es amtlich: Neunmal praktische Prüfung bestanden! Nach zwei Flaschen Sekt an Deck ziehen wir uns um und zechen erst in der Eisdiele, dann opulent beim Italiener. Und am Abend geht es in die Disco: Ein Haufen Berliner kann so einen Tanzschuppen ganz gut dominieren, erst nach Mitternacht gewinnen die Hausgrufties langsam die Oberhand. An Bord wird noch etwas weitergezecht, aber spätestens um 0400 ist der letzte in der Koje. Was für ein Tag! Was für eine Nacht!
Ungewohnt ist der Gedanke, das Schiff, das uns jetzt 14 Tage lang Heimat war, zu verlassen und in Berlin wieder auseinanderzugehen. 14 Tage auf 15 mal 4 Metern Boot sind eine lange Zeit, in der man sich wahrlich gut kennenlernt. Ungewöhnlich weit war der Törn, 859 sm werden am Ende in den Seekarten ausgezirkelt. Das war so nicht geplant gewesen, aber der Maschinenschaden hatte für zusätzliche Strecke gesorgt. Rasmus sei Dank für das gute Wetter! Das bescherte uns gutes Vorankommen, und nur für 21 sm wurde der Motor bemüht, eigentlich nur für die Häfen, eine außergewöhnlich gute Relation von Segelmeilen zu Motormeilen. Landschaft von südwestenglischer Küste über Kreidefelsen bis Watt. Beaufort 2 bis 7 aus allen Richtungen. Aber eben nie Flaute. Fünf Nächte wurden durchgesegelt, auch das ungewöhnlich viel. Aber bei dem guten Wetter recht unproblematisch. Alle, Skipper und Crew, sind von diesem Törn begeistert.
So haben wir nun unsere Erfahrungen mit der Nordsee gemacht, und voraussichtlich heißt es nächstes Jahr wieder für das Team Seesegeln: Auf in den Englischen Kanal!
© Team Seesegeln TFH Berlin Version 3.3 September 2001